PATIENTENINFORMATION
PSA-gestützte Früherkennung des Prostatakarzinoms
Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) und
Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e. V. (BPS) im Januar 2020
Liebe Patienten,
möglicherweise haben Sie zu Beginn des Jahres die Berichterstattung zur Früherkennung des Prostatakarzinoms
in der Presse verfolgt. Viele Medien hatten über den Vorbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit
im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Nutzenbewertung des Prostatakarzinomscreenings mittels PSA-Test
berichtet. Dieser Vorbericht ist Teil eines laufenden Bewertungsverfahrens, in dem geklärt werden soll, ob die
Früherkennung mit Aufklärung, gemeinsamer Risiko-Nutzenabwägung durch den Urologen und den Patienten,
PSA-Bestimmung und dessen patientenbezogener Beurteilung künftig von den gesetzlichen Krankenkassen
bezahlt werden soll.
WAS HEISST DAS?
Wenn eine neue Untersuchung oder Behandlung zur Übernahme der Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen
empfohlen wird, muss der Gemeinsame Bundesausschuss (GB-A) aus Krankenkassen- und Ärztvertretern
zuvor darüber entscheiden. Wenn ihm die Sachlage nicht klar genug ist, beauftragt er das dafür gegründete
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit, den Nutzen wissenschaftlich
zu bewerten.
WAS IST EIN SCREENING?
Screening bedeutet, durch eine Reihenuntersuchung – in diesem Fall einen Bluttest des PSA (Prostata-Spezifisches
Antigen) – aus einer bestimmten Bevölkerungsgruppe (z.B. alle Männer zwischen 45 und 70) diejenigen
zu identifizieren, die, ohne es zu spüren, ein Risiko tragen, in diesem Falle an einem bösartigen Prostatatumor
zu erkranken oder ihn bereits in sich zu tragen.
Bei der in Deutschland praktizierten Früherkennung geht es nicht um ein Prostatascreening durch den PSA-Test
alleine. Dieser stellt vielmehr einen Baustein der Früherkennung von Prostatakrebs durch die Urologin/den Urologen
dar.
Bekannt ist der Begriff „Screening“ schon lange beim Brustkrebs der Frau: Dort konnten die Sterblichkeit der
Frauen an dieser Krankheit deutlich gesenkt und die Tumoren in großer Zahl in einem frühen Stadium erkannt
werden, sodass oft eine Brusterhaltung möglich ist.
WO LIEGT DAS PROBLEM?
Das IQWiG schlussfolgert in seinem Vorbericht, dass die Nachteile die Vorteile eines PSA-Screenings deutlich
überwiegen. Diese negative Bewertung wurde in der Presse vielfach ohne Kommentierung durch den Bundesverband
Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. (BPS) und die Experten der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V.
(DGU) übernommen und kann für Irritation und Verunsicherung sorgen. Der BPS hatte den Antrag gestellt,
den PSA-Test in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen und damit das laufende
Bewertungsverfahren initiiert.
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. widerspricht der negativen Nutzenbewertung des IQWiG ausdrücklich
und erklärt ihre wissenschaftliche Position. Ebenso widerspricht der BPS aus Sicht der Betroffenen.
Bitte lesen Sie im Folgenden unsere gemeinsame Information mit den aktuellen Empfehlungen für eine individualisierte
Früherkennung von Prostatakrebs.
WAS IST ZU TUN?
Zwischen dem 45. und 70. Lebensjahr sollte sich jeder Mann, der an einer Früherkennung interessiert ist, einer
Prostatakarzinom-Früherkennungsuntersuchung unterziehen. Das schließt eine ausführliche Aufklärung, eine
gemeinsame Risiko-Nutzenabwägung, eine PSA-Bestimmung (bisher Selbstzahlerleistung) und dessen patientenbezogene
Beurteilung ein. Die reine Abtastungsuntersuchung (bereits Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung)
erkennt in den allerseltesten Fällen ein potentiell heilbares Frühstadium, sondern entdeckt in
der Regel erst ein nicht mehr gut heilbares fortgeschrittenes Stadium. Ziel ist es, diejenigen Männer zu finden,
die weiterer Untersuchungen bedürfen, um ein behandlungsbedürftiges Prostatakarzinom so rechtzeitig behandeln
zu können, dass das Leben nicht durch das Karzinom verkürzt wird oder ein metastasiertes Stadium
eintritt. Denn das bedeutet in vielen Fällen lebensqualitätseinschränkende Symptome wie Schmerzen und
eine dauerhafte Krebstherapie, häufig inkl. Chemotherapie. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der PSA-Test
zwingend erforderlich.
Genauso gibt es Männer, bei denen trotz Vorliegen eines Tumors keine oder erst sehr viel später eine Behandlung
notwendig ist. Auch um das zu beurteilen und den Verlauf zu kontrollieren, ist der PSA-Wert unverzichtbar,
weil anhand des Verlaufes (Anstieg oder nicht) innerhalb der folgenden Jahre gerade die möglichen
„Übertherapien“ wie nicht notwendige Operationen oder Bestrahlungen und deren Begleiterscheinungen in
einigen Fällen vermieden werden können.
Um dieses grundsätzlich gemeinsame Ziel der Betroffenen und der Urologen zu erreichen, empfehlen der
BPS und die DGU – abweichend vom IQWiG-Vorbericht - eine Prostatakarzinomfrüherkennung für alle Männer
dieser Altersgruppe, um das individuelle Risiko durch urologische Bewertung und Beratung möglichst genau
beurteilen zu können. In Zweifelsfällen kann bei Tumorverdacht heutzutage vor einer möglichen Biopsie eine
spezielle MRT-Untersuchung vorgeschaltet werden, um vielleicht unnötige Biopsien zu vermeiden.
Sollte sich das IQWiG mit seiner Meinung durchsetzen, besteht das Risiko, dass – wie bisher – viele Männer auf
eine urologische Früherkennung verzichten und damit Erkrankte erst in einem späteren, möglicherweise nicht
mehr heilbaren Stadium erkannt werden und einen unnötigen Leidensweg mit Schmerzen durch Absiedlungen
(Metastasen) in anderen Organen wie z.B. Lymphdrüsen oder Knochen erleben müssen.
Die, oben beschriebene, in Deutschland von der AWMF-Leitlinie empfohlene, individuelle Früherkennungsuntersuchung
inkl. PSA-Test stellt aus Sicht der Betroffenen des BPS und der wissenschaftlichen Experten der DGU
aufgrund der vorliegenden Daten einen wesentlichen Baustein dar, die bisherige jährliche Todesrate (Rate der
Patienten, die ohne PSA-Test an einem zu spät, erst bei Symptomen der Metastasen, erkannten Prostatakarzinom
versterben) von etwa 13.000 Männern bei rund 60.000 Neuerkrankungen am Prostatakarzinom weiter
zu senken und den Erkrankten ein möglichst langes Leben in guter Qualität zu ermöglichen.
Die DGU und der BPS werden alles daransetzen, ihrer Position in den Entscheidungsgremien Gehör zu
verschaffen, den PSA-Test als wichtigen Baustein der Prostatakrebsfrüherkennung anzuerkennen.
Nutzen Sie weiterhin oder erstmalig die Möglichkeit, sich von Ihrer Urologin/Ihrem Urologen entsprechend der
Leitlinie beraten zulassen und sich durch Ihre eigene urologische Früherkennung inklusive PSA-Test gesund zu
erhalten!
Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär der DGU
Prof. Dr. Jens Rassweiler, Präsident der DGU
Werner Seelig, Vorsitzender BPS
Ernst-Günther Carl, stellvertr. Vors. BPS